Vom Marterl bis zum Gipfelkreuz
Der Begriff „Flurdenkmal“ ist schwer zu umschreiben und kaum einzugrenzen. Aber gerade in ihrer oft verwirrenden Vielfalt und Vieldeutigkeit sind Flurdenkmale echte Zeugnisse des menschlichen Lebens. Unter den Gemeinsamkeiten tritt das Religiöse und Schicksalhafte in den Vordergrund, ferner die Bindung an eine bestimmte Stelle in der freien Natur. Flurdenkmale gelten vor allem als Signaturen alter bäuerlicher Kulturlandschaften und als Zeichen ihrer religiösen Traditionen. Jedenfalls bewahren Flurdenkmale die vergehenden Spuren anonymer menschlicher Schicksale. Sie sind bleibende Erinnerungen an vergangene und vergehende Generationen, sie sind die „Botschaft von den kleinen Dingen“, von den Höhepunkten, Tiefpunkten und Endpunkten alltäglicher Lebensläufe. Sie gehören meist zu den Zeugnissen der „Kultur der einfachen Leute“. Denn unter Flurdenkmalen versteht man im allgemeinen nicht die Gedenktafeln des großen weltpolitischen Geschehens und nicht die kunstvollen Ehrenmale des kulturellen und geistigen Schaffens. Flurdenkmale ehren nich die geschichtlichen Taten großer Staatsmänner, Eroberer und Feldherren, Sie ehren auch nicht die bedeutenden Dichter und Denker, Künstler, Forscher, Entdecker und Wissenschaftler. Den großen Ereignissen der Geschichte setzt man weihevolle Epigramme auf ehernen Tafeln und Obelisken, den großen Männern errichtet man marmorne Büsten und Statuen, bronzene Reiterstandbilder und gewaltige Mausoleen, kurzum Denkmale in des Wortes gebräuchlichstem Sinn. Solche Denkmale akzentuiren städtebauliche Fixpunkte, sie zieren städtische Plätze und Grundanlagen; nur gelegentlich finden sich solche Denkmale auch am Ort eines Geschehens, etwa an einem Geburtshaus, einem Lieblingsort, am Ort einer geschichtlichen Grosstadt.
Die meisten Flurdenkmale sind hingegen schlicht und anspruchslos gestaltet; sie erheben keinen Anspruch auf höhere Bedeutsamkeit. Dafür sind sie oft Zeichen von tiefer Frömmigkeit, von rührendem Gottvertrauen und naivem Volksglauben. Manches gestammelte Wort frommen, Dankes, manche innige religiöse Empfindung hat sich in einfachen Malen am Wegesrand erhalten. Flurdenkmale sind mitunter Merk-Male erlittener Angst und Not, aber auch glücklicher Erlösung aus hoffnungsloser Lage. In vielen Flurdenkmalen haben Bitten, Fürbitten und Gebete, Gelübde und fromme Versprechen Gestalt angenommen; sie sind Steingewordene Seufzer und Tränen.
Viele Flurdenkmäler haben auch Landschaftsgestaltende und Situationsprägende Kraft: Sie setzen in die Fluren und Dörfer geschichtliche Zeichen und geben geschichtliche Farbe... Sie sammeln das Weite der Landschaft in künstlerische Haltepunkte. Mancher Landstrich, mancher Weg bleibt noch von alten Flurdenkmalen beseelt, wenn ihm das Bauen der jüngsten Generationen sein eigenes Gesicht schon genommen hat.