Flurdenkmale als Zeugnis bäuerlicher Frömmigkeit
Die spätmittelalterlichen Gnadenwallfahrten bezeugen eine alle Bereiche des Lebens umfassende Volksfrömmigkeit. Die meisten Menschen des Spätmittelalters lebten ihr ganzes Leben in religiöser Sicht: „Alle Erscheinungen des Lebens und der Natur hatten einen religiösen Gehalt und wurden aus der Religion erklärt, so auch alles, was die Existenz der Menschen bedrohte: Krankheit und Krieg, Hagelschlag und Hungersnot“. Jedes Unglück wurde als Strafe Gottes empfunden. Der strafende Gott wiederum ließ sich nur durch einen frommen Lebenswandel, durch Opfer und Bußleistungen gnädig stimmen. Das heißt, jedes Unheil konnte nur mit religiösen Mitteln abgewendet werden. Die Volksfrömmigkeit wurde deshalb im Wesentlichen bestimmt von einer ständigen Suche nach religiösen Sicherungen gegen die Unsicherheiten des Lebens.
Für den Bauern bot die Religion seinerzeit „Die einzige plausible Erklärung für die rätselvollen und unberechenbaren Erscheinungen der Natur, die seine Existenz ständig aufs Neue bedrohten“. Und nur in der Religion konnte er Schutz gegen die Vielzahl dieser existenziellen Bedrohungen suchen; er brauchte die Tröstungen und Verheißungen der Religion vor allem zur Bewältigung des täglichen Lebens. „Die Religion als die stärkste geistige Kraft“, die das Leben unserer Vorfahren weitgehend bestimmte, gab Anlass zu einer vielseitigen und vielschichtigen Entfaltungsmöglichkeit der Frömmigkeits- und Glaubensbezeugung. Zum Gesamtbild der abendländischen Kulturlandschaft gehörten daher nicht nur die vielen Kirchenbauten mit dem Reichtum ihrer Stilformen, sondern auch die ungezählten schlichten Kapellen, die einfachen Feldkreuze, Bildstöcke, Sühnekreuze und Totenbretter, die in überaus reicher, heute kaum mehr vorstellbarer Zahl die Wege säumten. Unterschiedlich waren die Anlässe, die zur Errichtung solcher Flurdenkmäler führten, alle waren jedoch in derselben Absicht entstanden, den Vorübergehenden zur Andacht und Fürbitte anzuregen und zu einer besinnlichen Rast aufzufordern. Sie spielten daher im religiösen, aber auch im rechtlichen Leben des Volkes eine nicht unbedeutende Rolle, sie dienten als Weg - und Grenzmarken, als Stationen bei Prozessionen und Flurumgängen, deuteten auf nahe gelegene Wallfahrten hin, oder zeigten, wie im Falle der Sühnekreuze und Marterln, den Ort eines Verbrechens oder Unglücksfalles an. Die zahlreichen Wegkreuze, Bildstöcke und Kapellen bezeugen die einstige Einbindung des bäuerlichen Menschen in seinen religiösen Daseinsbedacht, sie erzählen von einem Leben, dessen irdische Laufbahn mit dem Taufsakrament begann und nach viel Arbeit, Mühe und Plage mit dem Sterbesakrament endete. Manche Flurdenkmale weisen über das irdische Leben hinaus; sie erflehen die Fürbitte des Gebetes für den Verstorbenen und sind ein rührender Hinweis auf den alles überragenden Gedanken and die Ewigkeit. In manchen Flurdenkmalen spiegelt sich bis auf den Tag die Suche nach dem Schutz und Segen Gottes in allen Lebenslagen.