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Die Fledermaus-Anatomie

Kopf: Fledermausköpfe sehen oft etwas skurril aus: Die im Verhältnis zur Kopfgröße auffallend großen Ohren – besonders die der „Langohren“ –, die kleinen frontständigen Knopfaugen, das grimmige Maul mit den spitzen Zähnen und schließlich die Nase, der so treffend bezeichneten „Hufeisennasen“ sind allesamt Anpassungen an die Insektenjagd per Echoortung:

  • Die großen Ohren müssen das Echo der Ultraschallrufe auffangen und außerdem das leiseste Krabbeln laufender Insekten wahrnehmen können. Ein senkrechter Zapfen vor der Ohrmuschel, der sogenannte Tragus, verändert offenbar vorteilhaft das eintreffende akustische Signal.
  • Die kleinen Augen brauchen nicht, wie die großen Eulen- oder Katzenaugen, nachtsichtig zu sein - für die räumliche Orientierung bei Tage reichen sie völlig aus.
  • Das Raubtiergebiss ist genau richtig für Insektenbeute und wird vor allem deshalb dem Tierfotografen so oft gezeigt, weil bis auf die „Hufeisennasen“ alle Fledermäuse zur Ultraschallpeilung das Maul öffnen müssen.
  • Die außergewöhnlich geformten Hufeisennasen, der gleichnamigen Fledermausarten schließlich, ermöglichen ihren Besitzern das Rufen durch die Nasenöffnungen, also bei geschlossenem Maul.

Bleibt noch die Frage, warum manche Arten kleine, andere größere Ohren haben. Zwei Gründe gibt es dafür: Arten, die im kleinräumigen Luftraum geschlossener Vegetation auch auf krabbelnde Beute Jagd machen, müssen ein feineres Gehör und somit größere Ohren haben, als reine Luftjäger. Kleine Fledermäuse unter den Jägern im Blattwerk haben vermutlich deshalb dieselbe absolute Ohrgröße, wie größere Arten mit denselben Jagdgewohnheiten, weil dieselbe Ohrgröße relativ zu ihrer Körpergröße absolut schon zu klein wäre, um das kleine Krabbeln zu erlauschen.

Arme: Anders als die Vögel, deren Finger zurückgebildet und äußerlich in der Regel nicht mehr sichtbar sind, fliegen Fledertiere mit den Händen. Nur der Daumen hat seine ursprüngliche, kurze Form beibehalten; der zweite Finger besteht nur aus einem Glied, der dritte aus drei Gliedern, der vierte und fünfte Finger jeweils aus zwei Gliedern. Der zweite und fünfte Mittelhandknochen sind stark verlängert, und die Elle (Ulna) ist verloren gegangen, so dass der Unterarm nur noch aus einem Knochen, der Speiche (Radius) besteht.
Wie bei den Vögeln verrät die Flügelform das Flugvermögen: Lange, schmale Flügel sind charakteristisch für schnelle Flieger im offenen Gelände, wie dem „Abendsegler“, der leicht 50 km/h erreicht. Lange, breite Flügel sind typisch für langsame Jäger ebenfalls im freien Luftraum und kurze, breite Flügel für die langsameren, wendigeren Flieger in dichterer Vegetation.

Beine: Typisch für Fledertiere ist das Aufhängen mit dem Kopf nach unten: So ist ein schneller Start bzw. eine schnelle Flucht lediglich durch Fallenlassen möglich. Erleichtert wird dies dadurch, dass die Füße nach hinten weisen, nicht nach vorne, wie bei den übrigen Säugern. Die Krallen der Füße werden allein durch das Gewicht des Tieres gekrümmt, sodass dieses auch im (Winter-)Schlaf und selbst im Tod hängen bleiben kann. Ein vom Fußgelenk nach innen zum Schwanz hin ragender knöcherner Sporn (Calcar) spannt die Schwanzflughaut. Oberhalb des Sporns sind die Beine in der Regel in die Flughaut einbezogen, sie spannen die Schwanzflughaut oder falten sie zusammen.

Schwanz: Von der „Bulldoggfledermaus“ abgesehen ist der Schwanz europäischer Fledermäuse fast völlig in die Flughaut einbezogen, die er im Flug spannt.

Flughaut (Patagium): Die Doppelmembran zwischen Schulter, Fingerspitzen und Schwanz ist – abgesehen von einem Teil der Schwanzflughaut – unbehaart, sehr dehnbar und fest.

Haare: Fledermäuse besitzen kein Wollhaar, also nur eine Haarart. An der Struktur kann der Fachmann einige Gattungen und sogar Arten erkennen. Das Bauchfell ist heller als das Rückenfell. Das Haarkleid junger Fledermäuse ist in der Regel dunkler und matter als bei alten. Farbunterschiede von Männchen und Weibchen (Dichromatismus) gibt es – anders als bei Vögeln – nicht.

Geschlechtsmerkmale: Die Brustdrüsen weiblicher Fledermäuse liegen mehr seitlich im Bereich der Achselhöhlen und sind bei Müttern gut zu erkennen. Die „Zweifarbfledermaus“ besitzt allerdings zwei Paar Zitzen und die „Hufeisennasen-Fledermäuse“ am Unterbauch zusätzlich ein Paar Haftzitzen.
Bei den Männchen ist der Penis stets gut sichtbar, da er nicht in den Körper zurückgezogen wird, in der Paarungszeit mancher Arten auch Hoden und Nebenhoden.

Familien: Bei den europäischen Fledermäusen unterschiedet man zwei Gruppen: die Familie der „Glattnasen“ und die der „Hufeisennasen“. Zum anatomischen Vergleich ist hier auch die „Bulldoggfledermaus“ aufgeführt, die nur mit einer Art in Südeuropa vertreten ist. Folgende Merkmale sind typisch:

  Hufeisennasen
(Rhinolophidae)
Glattnasen
(Vespertilionidae)
Bulldoggfledermaus
(Molossidae)
Gattungen Rhinolophus Myotis, Nyctalus, Eptesicus, Vespertilio, Pipistrellus, (Hypsugo), Plecotus, Barbastella, Miniopterus Tadarida
Nase bizarre Hautfalten für variable Echopeilung glatt, daher der Name glatt
Ohren ohne Ohrdeckel Ohrdeckel (Tragus) in der Ohrmuschel keine Ohrdeckel, Lappen am hinteren, unteren Rand
Brustdrüsen ein Paar und zusätzlich ein Paar Haftzitzen ein Paar ein Paar
Flügel in Ruhe in Flughaut eingehüllt in Ruhe zusammengefaltet, Flughäute also unsichtbar in Ruhe zusammengefaltet, siehe Glattnasen
Schwanz kurz, in Ruhe auf dem Rücken länger, in Ruhe vor dem Bauch ragt weit aus der Flughaut, in Ruhe ausgestreckt
Ruhestellung immer hängend hängend, in Spalten und auf dem Boden in Spalten, auf dem Boden und hängend
Fortbewegung am Boden hilflos, können den Körper nicht anheben Laufen und Springen möglich Laufen und Klettern gut
Echopeilung durch Nasenöffnungen, also auch bei geschlossenem Mund durch Kehlkopf und Mundspalte durch Kehlkopf und Mundspalte