Der Kohlberger Schwammerl
Autor: Buschn-Hans
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Gesehen haben ihn schon Tausende von Wanderern, den Pilz auf dem markanten Bergrücken südlich von Kohlberg. Verlaufen doch mehr als 6 markierte Wanderwege an ihm vorbei. Doch wer kennt schon die Geschichte dieser Wegemarke mit der wunderschönen Fernsicht an klaren Tagen?
„Seine“ Geschichte, hat mir vor längerer Zeit der Helmstreit Heinrich beim Meierhöfer erzählt. Und der muß es ganz genau wissen. Doch bevor ich sie jetzt weitergebe, will ich erst über die Orte, die Menschen und ihren unverkennbaren oberpfälzer Dialekt schreiben.
Direkt an der südlichen Grenze des Landkreises Neustadt/Waldnaab dehnt sich vom Naabtal bei Luhe ein langgestreckter bewaldeter Höhenzug westwärts bis in die Gegend von Groß-Schönbrunn. Er trägt leider keinen einheitlichen Namen, nur die einzelnen Gipfel, wie der Kohlbühl mit 588 Metern Höhe sind bezeichnet.
Auf der „herüberen“ Seite findet man vom Naabtal her etliche Einzelhöfe wie den Schwanhof mit der gepflegten Golfanlage, den Forst- und den Neumaierhof. Ein Stück weiter dann die „Gründörfer“, wie Weißenbrunn, Artesgrün und Hannersgrün genannt werden. Anschließend streckt sich der Markt Kohlberg auf einen nördlichen Ausläufer des Höhenzuges. Die Orte auf der „drüberen“, der Amberger Seite sind Schnaittenbach, Holzhammer, Neudorf und Neuersdorf, bevor man wieder nach Luhe kommt.
Ab hier wird es für den Schreiber dieser Geschichte schwierig, weil halt die Oberpfälzer keineswegs hochdeutsch reden. Nach dem Motto: geschrieben wie gehört, stößt man da schnell an Grenzen, wenn Wörter im Dialekt zu Papier gebracht werden sollen. Ein &dquo;A“ kann auf ganz verschiedene Weise gesprochen werden. Denken sie nur an: „Ha“ = „wie bitte“? Wie würden sie es denn schreiben? Hier steht es jetzt als: „Há“, also mit einem Accent aigu drauf, wenn es anders betont wird, auch wenn dies allen Regeln der Grammatik und Interpunktion zuwiderlaufen sollte. Vielfach werden in Dialektwörtern die Vokale „e“ und „i“ getrennt ausgesprochen, so wie bei: „geh rüber“ = „ge-i iwe“. Da „ö-i“ zu schreiben, nein das bremst. Dann schon lieber als: „gej iwe“ eingetippt. Vielleicht hilft es ja beim Lesen.
„Schnoittnboch und Holzhammer“ sind im Dialekt problemlos. Aus Neudorf wird „Nejtáff“ und aus Neuersdorf – o Graus – „Schlooch“. Die Leute dort sind „d′ Schlecherer“ und wohnen „ám Schlooch“. Alles klar? Wir kommen da später nochmal drauf.
Nun aber wieder zum Helmstreit Heinrich, den in Kohlberg jeder als „Schátzl-Heiner“, also mit seinem Hausnamen kennt. Er ging gelegentlich mit seiner Sonja am Sonntag Abend „áf á Seidl“ zum Meierhöfer. Das ist eine gemütliche Bierwirtschaft in einem blitzsauberen, stattlichen Hof am unteren Markt. Eines von den ganz rar gewordenen Wirtshäusern, an denen die Neuerungen der letzten Jahrzehnte spurlos vorbeigegangen scheinen und wo man sich vielleicht gerade deshalb sofort drin wohlfühlt. In dem kleinen Schankraum mit den drei Tischen heizt ein Holzöferl, an drei Wandseiten stehen Holzbänke und der Boden mit den Holzdielen ist schon von vielen Füßen betreten worden. „Der frißt beim Putzen die Hádern ner so weg!“ erzählt Christa, die ruhige und beliebte Wirtin. Daß an den Wänden einige Geweihe hängen ist selbstverständlich. Wirklich beeindruckend aber ist die Zimmerdecke. Dicke, rotbraun glänzende Bretter und in der Mitte ein mächtiger „Rußbalken“ von Wand zu Wand. Eingeschnitzt der damalige Familienname Bäumler und die Jahreszahl 1800. Solide Arbeit von damals. Die Balken haben sich in den letzten zwei Jahrhunderten keinen Millimeter gebogen, egal, was in der Wirtsstube unter ihnen erzählt wurde. Aber an bayrischen Biertischen wird ja eh nur die Wahrheit und nichts anderes erzählt.
„Ejtz hurch ámal zou,“ begann also der Schátzl-Heiner seine „Gschicht“ vom Kohlberger Schwammerl, damals beim Meierhöfer in der Wirtsstubn. “Des wor selmals in derá schlechtn Zeit nou’n Krejch. Dou houst ja nix ghatt. Dou bist nu um jeds Ránferl Brout frouch gwen, wennst oins krejgt houst. Wál ja alles ner áf Lebnsmittlkártn ganger is.“ Damals ist dem Heiner sein Vater, also der „ganz alt′ Schátzl“ schon beizeiten an einem Sonntag-Morgen „in’n Wold ganger zum Schwámmerln“. Er war ein alter Holzhauer und kannte natürlich die Plätze, wo „Schtapilzn, Routkappn, Oierschwámmerln und Mároni“ zu finden waren. Sein Weg führte von der Froschau, wo die Schátzl wohnen „áffewátz, áf d‘ Boucher zou“. Also in die Richtung, in der heute der Aussichtsplatz am Schwammerl ist.
„Ich ho dáva gouer nix mitkrejgt, daß er i d‘ Schwammer ganger is. Ich ho me a dem Sunntá ásgschlouffer, wál’st ja Werchertogs orwern houst mejn wej á Hund“, fährt der Heiner fort. „Áf oimal schitlt me mei Vodá ás'n Bett. »Gejh, schtejh áf, zejch de a und hol die grouß Sech! Dou is á Schwammer, den krejch i álloins niát o«, sagt er“. Der Heiner springt sofort „ás der Falln“ und in seine Arbeitshose, auch wenn er kaum glauben kann, was er von seinem Vater hört. „Ja soll i ejtz d‘ Bognsech holn oder wos moinst’n fir oine?“ will er wissen. „Ná die anner, die grouß Blattsech!“, war die Antwort. Wortlos trägt er dann die gut zwei Meter lange Säge hinter seinem Vater her in Richtung Wald.
„Und schtell dár ner fir, gouer niát weit in’n Holz drin, schtejt doch dou á Schwammer, sowos houst nu niát gseágn! Houch wej drei Leit. Á Schtül, so dick, daß’d niát umeschauer houst kinner und kerngsund und fest wej ner wos!“ Dem Heiner seine Augen glänzen heute noch vor Begeisterung über dieses Prachtexemplar von Pilz. „Mei Vodá und i hom se glei hiknejt und hom agfangt zum segn. Ja, hi und her, á ganze Wál. Wej má nou ungefähr so vejllt drin gwen hán, áf oimal sagt dá Vodá: »Hurch, Bou, dou segt doch nuwou wer!« Mir hurchá und tatsächli, dou segt nu wou wer. Mir hom unser Sech higlegt und sán um án Schtül vo den Schwammer ummegangá. Und pfeilgrod: vo dá annern Seitn her segn doch glatt d‘ Schlecherer! Á mit dá Blattsech!“ „Dou sán má nou vielleicht dougschtantn, alle mitánaner“, bemerkt der Heiner noch und nimmt einen tiefen Schluck aus seinem Seidl. Wie die Geschichte denn weitergegangen ist, will ich wissen. Aber er lächelt nur ganz verschmitzt in sich hinein und meint: „Na ja, wej halt so á Gschicht weitergejht!“ Und schweigt.
Weitergegangen ist die Geschichte aber doch noch, wie man sich jetzt schon denken kann. Als am 14 Juli 1962 auch für Kohlberg und Umgebung ein Zweigverein des Oberpfälzer Waldvereins gegründet wurde, da war der „alte Schátzl“ mit bei den Gründungsmitgliedern. Da er nicht nur Holzhauer war, sondern sich auch als Schnitzer versuchte, können auch heute noch einige Stücke von ihm gezeigt werden. Mit auf seine Initiative hin ist wohl auch der Aussichtspilz entstanden, der bereits in den Sechziger Jahren aufgestellt wurde.
Der heutige Vorsitzende, Hans Bock hat dann im Herbst 1994 den inzwischen doch etwas maroden Stil des Schwammerls durch einen neuen aus Stahl ausgetauscht. Das Dach, es ist bis heute kerngesund, wurde einfach auf den neuen Schaft aufgesetzt. Sitzbänke und eine Infotafel laden zum Verweilen ein. Auch jetzt noch finden Schwammerlsucher in den Wäldern rund um den Aussichtsplatz in manchen Jahren Prachtexemplare, die man nur zu zweit mit der Säge umlegen kann. Das ist so wahr, wie daß in der Wirtsstube vom Meierhöfer noch nie gelogen wurde. Die Balkendecke kann das bezeugen.