Schmiedklein
Autor: Buschn-Hans
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300 Jahre Hammer, Amboß und noch mehr bedient
Haben Sie schon einmal versucht, nach Ihren Vorfahren zu forschen, Ihren Stammbaum zurück zu verfolgen? Wollten Sie in Erfahrung bringen, wer, wann, wo und mit wem wie lange gelebt hat? Wann haben Sie damit - mehr oder weniger entnervt - aufgegeben? War es schon beim Entziffern alter Dokumente in steil-krakeliger Sütterlinschrift? Oder haben Sie sich in alten Kirchenbüchern bis ins Mittelalter zurück gesucht? Sind Sie über längst nicht mehr gebräuchliche, unverständliche Latein- und Französisch-Bezeichnungen gestolpert und wurde Ihnen dabei klar, daß die Vergangenheit immer „nebulöser“ wird, je weiter Sie zurück gehen? Ja? Dann sind Sie in guter Gesellschaft … behaupte ich mal.
Warum schreibe ich das? Weil der Kohlberger Bürgermeister Karl Prösl in jahrelanger Arbeit die Familiengeschichte von etwa 120 Anwesen seines Marktes akribisch genau recherchiert hat! Zurück bis zu den ersten Angaben in den Kirchenbüchern so um das Jahr 1600. Noch einmal: 120 Aufzeichnungen!!! Eine Riesenleistung, deren Wert kaum von jemandem geschätzt wird, der sich nicht selbst schon mal an so eine Sisyphusarbeit für seine Familie gewagt hat. Prösl hat in mehreren Zeitungsartikeln über die Ortsgeschichte berichtet sowie in Vorträgen einzelne Bereiche, wie zum Beispiel die Wasserversorgung seit dem Mittelalter erläutert. Dankenswerterweise gibt der Bürgermeister interessierten Gemeindebürgern bereitwillig Informationen über die Vergangenheit. Auch für diesen Artikel durfte ich - wieder einmal - auf sein gesammeltes Wissen zurückgreifen. Herzlichen Dank dafür! Die weiteren geschichtlichen Angaben im folgenden Text stammen von Heimatforscher Gustl Motyka, dem früheren Röthenbacher Oberlehrer Anton Meindl sowie aus dem historischen Atlas Bayern.
Doch jetzt erst nochmal kurz in die Gegenwart und dann ganz weit zurück ins ausgehende Mittelalter. In Kohlberg gibt es den oberen sowie den unteren Markt. Im Mittelpunkt davon die evangelische Nikolauskirche, deren älteste Bauteile romanischen Ursprungs sind. Wohl schon seit dem 11. Jahrhundert wurde an dem Platz gebetet, gehofft und gelitten. Wir kommen da am Schluß nochmal darauf. Biegt man von Weiden her an der Kiesler-Kurve nach rechts in den unteren Markt ein, fällt der stattliche Bau des Meierhöfer-Gasthofs ins Auge. Der - weitaus ältere - Hausname ist: „Schmiedklein“ …. „Schmiggloi“, wie er bei uns „verwaschen“ ausgesprochen wird. Dazu erklärt Prösl mit Bezug auf den Historiker Brenner-Schäffer, daß der Name die Zusammenziehung des Handwerks „Schmied“ und der körperlichen Eigenschaft „klein“ oder „der Jüngere“ bedeutet. Früher (und auch bis in die jüngste Gegenwart) war es in der Oberpfalz üblich, daß der jüngste Sohn das elterliche Anwesen übernahm. Im „Türg'richt“, also der Querstrebe über der Haustüre ist in den Sandstein ein Hufeisen und ein Nagel eingearbeitet, das Handwerkszeichen früherer Besitzer.
Auf diesem Anwesen saß bereits um 1600 ein Hanß Jacob Bäumler. Sein Beruf: Hufschmied. Der Familienname Bäumler läßt sich von da ab bis zum Jahr 1923 verfolgen, über drei Jahrhunderte wurde er von Sohn zu Sohn weiter gegeben. Wer kann das schon von seinem Stammbaum sagen? Wobei noch anzumerken ist, daß ja auch schon vor 1600 Bäumlers dort gewohnt haben können. Die Kirchenbücher gehen nicht weiter zurück. 1631 wird ein Jacob Bäumler als Schmied und Besitzer genannt. Er mußte wohl mit ansehen, wie am 26. Mai 1634 ein Detachement (Abteilung) kroatischer und österreichischer Söldner den Ort und seine Schmiede in Schutt und Asche legten. Am 30. April 1637 plünderten dann kaiserliche Musketiere die kümmerlichen Reste des einst stolzen Marktes mit 58 Häusern. Die standen vor dem 30jährigen Krieg. 1636 wird im Steueranlagebuch des Gemeinschaftsamtes Parkstein/Weiden vermerkt, daß in Kohlberg von 12 bis 15 Häusern, „11 davon zugrund weggebrannt“ sind.
Daher hatte wohl 1651 Conrad Bäumler als Hufschmied, evangelisch-Pfalz-Sulzbachischer Richter, Ungelt- und Steuereinnehmer nicht gar soviel mit seinen Ehrenämtern zu tun. Hier ist anzumerken, daß Kohlberg bereits seit den Zeiten der Staufer (vor 1269) ein eigenes Richteramt besaß. Diese „niedere Gerichtsbarkeit“ umfaßte im Wesentlichen kleinere Eigentumsdelikte, Grenzstreitigkeiten und so weiter. Im Salbuch von 1416 steht: &bdquo Es ist zu wissen umb das dorf genannt Kolberg; dasselbe ist ain eigen dorffgericht, das besitzt ain lantrichter von Parkstein mitsamt zwelf gesworenen“. Dieses „jurisdictionem bassam limitissimam“ übte der Marktmagistrat zusammen mit dem landesherrlichen Richter - also Conrad Bäumler dem Schmied - aus. Auch Hammerherren, wie die in Röthenbach konnten richterliche Entscheidungen treffen. Das „Hohe“ oder „Halsgericht“ wurde wohl seit 1278 nur in Parkstein verhandelt.
1677 heiratete Adam Bäumler (geb. 1652) in das Anwesen auf der gegenüber liegenden Straßenseite. Hausname „Paulsader“. Sein jüngerer Bruder Hanß Adam übernahm 1682 das elterliche Anwesen samt der Schmiede. Er war also der jüngere oder der kleine Schmied. So dürfte es zur Zusammensetzung des Hausnamens gekommen sein. Waffen- und Hufschmiedsmeister, sowie „Marckts-Richter“ steht 1682 bei ihm als Berufsbezeichnung in den Büchern. Heimatforscher Motyka schreibt dazu, daß von Privatpersonen früher keine Schmieden gegründet werden konnten. Vier Gebäude zählten in den Orten zu den öffentlichen Gebäuden (casa publicae): die Kirche, der Herzogshof (ein solcher Meierhof ist in Kohlberg nicht exakt nachweisbar), die Mühle und die Schmiede. Überall waren die Schmieden mit Bannrechten ausgestattet, das heißt, mit Bann war eine Bindung gemeint. Die Dorfbewohner waren gebunden, nur in ihrer Schmiede arbeiten zu lassen. Vor der Schmiede, aber unter Dach war die Schmiedbruck für den Hufbeschlag. Dort wurden auch Gemeindeversammlungen abgehalten. Der Schmied bekam für seine Arbeit ein festes Gehalt, das Schmiedkorn. Von jedem Acker vier Maß Roggen, für jedes Pferd vier Metzen Korn. Die Felder (Dienstgründe) des Schmieds mußten die Bauern mit bestellen. Die Gemeinden schlossen mit ihren Schmieden Arbeitsverträge über - meist - ein Jahr ab. Wollte er länger bleiben, mußte der Schmied darum bitten. Es spricht für die Qualität der Kohlberger Bäumler-Schmiede, daß sie mindestens von 1600 bis etwa 1889 diesen Beruf im Markt ausübten.
Sie waren angesehene Persönlichkeiten. Mit Johann Wolfgang Bäumler (geboren 1700) ist um 1721 neben Huf- und Waffenschmiedmeister auch Churfürstlicher Bürgermeister als Beruf angegeben. Ebenso bei seinem Nachfolger, Hanß Michl Bäumler (1761). Dessen Sohn, Georg Michael Bäumler (1766 bis 1834) ist dann „nur“ Hufschmiedmeister. Die nächste Generation ist mit Georg Thomas Bäumler (1808 bis 1889) in etwas anderer Weise in den Gemeindeakten vermerkt. 1861 herrschte während der Sommermonate große Wassernot im Markt. Die Zuleitung des Röhrenkastens war aufgrund mangelnder Pflege ausgefallen. In der Stellungnahme der Gemeinde an das königliche Amtsgericht wird dazu auch auf den „dem Schmiedemeister Thomas Bäumler (Hs.Nr. 89) gehörenden Rammenthalweiher“ hingewiesen „auf welchem ein Servitut (Dienstbarkeit) laste, wonach Viehherden dort getränkt und Wasser für Brandfälle entnommen werden dürfe“. Dies sei aber, so klagt die Gemeinde, nicht möglich weil: &bdquo:der Weiher seit Jahren verödet liege und Bäumler trotz Aufforderung den Weiher nicht herstelle. Und von Seitens der Verwaltung wegen Verwandtschaft und theils wegen Bäumlers Heftigkeit nicht darauf gedrungen werde“.
Mit Johann Thomas Bäumler (1849 bis 1931) scheint das Schmiedehandwerk auf dem Anwesen erloschen zu sein. 1876 wird er - laut Prösl's Angaben - mit der Handwerksbezeichnung: „Ökonom“ geführt. Ob damals bereits, oder auch schon früher, aus der Schmiede die heutige Land- und Gastwirtschaft geworden ist, konnte nicht ermittelt werden. Er scheint auch keine männlichen Erben mehr gehabt zu haben. 1881 wurde seine Tochter Elisabeth geboren. Sie heiratete 1923 Heinrich Götz vom Schneiderpeterhof. Nachdem dieser bereits 1924 verstarb, ging sie 1927 die Ehe mit Karl Meierhöfer aus Floß ein. Diese Ehe blieb kinderlos.
Aus jener Epoche erzählte mein Vater folgende Begebenheit. Etwa um 1920, also in der bitterarmen Zeit kurz nach dem ersten Weltkrieg arbeitete er als Hütbub auf dem „Schmiggloin-Hof“, also die folgende „Katastrophe“ geschah. Die Kohlberger Kirchweih am Sonntag nach Fronleichnam war auch damals ein herausragendes Ereignis. Die Wirte bemühten sich - trotz Mangel an Vielem - die Gäste gut zu bedienen. Selbstredend, daß Kirchweihkücheln und große, runde Schmierkuchen verlangt wurden. Die Kuchen wurden - nach einer strengen Zeiteinteilung - einige Tage vorher in den gemeindlichen Backöfen von den Hausfrauen gebacken. Um sie nun - es war ja warmer Frühsommer - bis zur Kirchweih auch frisch und saftig, also nicht „öid“ (= ausgetrocknet) zu halten, wurden diese beim „Schmiggloin“ auf einem Holzgestell auf der Felsenkeller-Treppe gelagert. Einige Dutzend, schön nebeneinander aufgereiht. Am Nachmittag des Kirchweihsamstags hörte man einen Knacks, Rutschen und Platschen aus dem Keller. Eine der schon etwas morschen Holzstreben des Regals hatte „nachgegeben“, Kuchen und Kücheln zu einer Rutschpartie die Treppen runter und zum anschließenden Badeerlebnis im „abgesoffenen“ Kellerbereich verholfen. Im Schein der Kerzen sah man die ganze Kirchweihbäckerei im brackigen Kellerwasser schwimmen.
Bevor Karl Meierhöfer 1958 verstarb, adoptierte er Ernst Prölß aus seiner Kohlberger Verwandschaft zum Nachfolger. Dieser führte als Land- und Gastwirt das Anwesen bis 2001. Zwei Söhne schenkte ihm seine Frau Christa. Beide haben scheinbar wieder „Eisen im Blut“. Allerdings „schmieden“ sie lieber an rollenden als an vierbeinigen Pferden. Aber die jahrhunderte alte Tradition des Anwesens geht so weiter. Derweil betreibt ihre Mutter die beliebte, urige Bierschänke mit der sehenswerten Holzdecke und dem mächtigen „Roußbalkn“ in der Mitte. „GB“für Georg Michael Bäumler und die Jahreszahl 1800 sind darin eingearbeitet. Möglicherweise wurde das Haus damals auch Opfer des Großbrandes vom 4. August 1800, welcher rund ein Drittel des Marktes in Schutt und Asche legte.
Das Anwesen hat viele Generationen, Schicksale, Leid und Freude erlebt. Ihre Bewohner haben sicher oft auch den Weg in die Nikolauskirche genommen. Wie ein Vermächtnis kommt es mir immer vor, wenn ich den Spruch lese, den die Wirtin im Hausgang aufgehängt hat: „Auch wenn dich das Schicksal auf allen Linien schlägt, bleibt immer noch die Haltung, mit der man es erträgt!“