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Große Wohnungsnot im Wald

Autor: Johann Müller

Waldfledermaus-Arten gehen die Quartiere aus. Erhebung für das Bayerische Landesamt für Umwelt brachte erschreckende Ergebnisse. Ökologisches Gleichgewicht in Gefahr.

In Städten und Orten werden derzeit Neubauten „auf Teufel komm raus“ erstellt. Menschen investieren in Betongold, um ihre Euros in vermeintlich sicheren Häfen zu bunkern. Nicht so in den Wäldern. Da gehen die für Vögel, Fledermäuse und Höhlenbewohner vor Jahren angebrachten künstlichen Nisthilfen reihenweise kaputt. Das damalige „Betongold“ für Piepmatz und Co. zerbröselt einfach im Lauf der Jahre. Eine wissenschaftliche Erhebung soll seit 2009 den Ist-Zustand erfassen.

Die Studie „Erfassung der Waldfledermäuse im Umfeld des Manteler Forstes“ wurde vom Bayerischen Landesamt für Umwelt in Auftrag gegeben. Diplom-Forstwirt Rudolf Leitl erarbeitete sie mit zwei freiwilligen Helfern. Fachlich und logistisch unterstützt wurde die umfangreiche Arbeit von den Forstbetriebsleitern Reinhard Lenz und Klaus Bichlmaier vom zuständigen Forstbetrieb Schnaittenbach sowie von Diplombiologin Mathilde Müllner vom Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald. Sämtliche Daten wurden an die Fledermaus-Datenbank der Koordinationsstelle für Fledermausschutz Nordbayern übergeben.

OWV-Vogelschützer Bernd Bauer, der die Fledermaus-Erfassung im Teilbereich Etzenrichter Wald durchführte, stellte nun die Ergebnisse der Studie vor. Sie lauten: „Den Fledermäusen, wie auch den höhlenbrütenden Vögeln und anderen Baumhöhlenbesiedlern stehen in unseren Wirtschaftswäldern überwiegend nur noch künstliche Quartiere, also Nistkästen zur Verfügung. Hierauf haben sich auch schon entsprechende Quartiertraditionen der Bewohner aufgebaut. Aber künstliche Brutplätze sind keinesfalls als endgültige Lösung des Mangels anzusehen, sondern das Angebot natürlicher Nistmöglichkeiten sollte im Rahmen der forstlichen Bewirtschaftung sowohl im Privat- als auch im Staatswald deutlich erhöht und dauerhaft erhalten werden“. Was jedoch eine deutliche Abkehr von der bisherigen Praxis erfordert, um ökologisch wirksam zu werden.

Von der Bayrischen Staatsforstverwaltung hat man in den 60er Jahren in den Nadelholzforsten der Oberpfalz tausende Nistkästen für „Arbeitsvögel“ angebracht. Diese wurden auch immer mehr von den Fledermäusen mitbesiedelt. Aufgrund früherer Erhebungen ist bereits bekannt, dass sich in den Staatswäldern des Forstbetriebes Schnaittenbach größere Vorkommen verschiedener Wald-Fledermausarten befinden. Ziel dieser Untersuchung war es nun, die in drei Waldgebieten des Betriebes (in Mark bei Grafenwöhr, im Etzenrichter Forst und Hessenreuther Wald) hängenden Nistkästen auf ihren Fledermausbesatz hin zu untersuchen. Auch vom Wald um Kohlberg und Röthenbach ist bekannt, dass hier viele Nistkästen hängen, in denen Fledermäuse vorkommen. Diese wurden zur Studie nur kurz geöffnet um deren Inhalt zu notieren, in wenigen Fällen auch mal eine einzelne Fledermaus zur genauen Art- oder Geschlechtsbestimmung herausgeholt. Durch die in den vergangenen Jahren erfolgten Reformen der Forstverwaltung mit Revierneuordnungen waren leider so gut wie keine Aufzeichnungen über die Lage der Kästen vorhanden. Diese mussten also zum Großteil auf gut-Glück gesucht werden. Es ist davon auszugehen, dass eine Anzahl nicht mehr gefunden wurde. Die genaue Lage und der Erhaltungszustand sind jetzt in Karten festgehalten.

Laut Bauer besitzt der „Etzenrichter Forst“ mit 3 866 ha nur geringfügig weniger Staatswaldfläche als der Hessenreuther Wald. Mit den direkt anschließenden Privatwäldern nimmt er eine geschlossene Fläche von knapp 6 000 ha ein. Im Südosten schließen die Wälder der Kohlberger Höhen mit etwa 2 000 ha an. Hier musste der Großteil des Waldgebietes ohne Karten abgesucht werden. Der Vogelschützer fand noch 508 funktionstüchtige Kästen. Ursprünglich hingen in dem Gebiet wohl über 1000, vielleicht 2000 Kästen. Bei keiner weiteren Pflege und Ersatz werden sie in den nächsten 10 Jahren auf etwa 200 Stück schrumpfen. Nur wenige der Behausungen waren leer, die anderen aber zum Teil doppelt und dreifach durch Vögel, Fledermäuse und Insekten besetzt.

Die Fledermausbelegung betrug 29 Prozent. Mit Abstand häufigste Art im Etzenrichter Forst ist die Wasserfledermaus, von der in 75 Kästen 763 Individuen und 43 Jungtier-Gruppen gefunden wurden. Mit sieben Wochenstuben und insgesamt 102 Säugetiere in 18 Kästen hat auch die Fransenfledermaus ein bedeutendes Vorkommen. Als dritte Art wurden 25 Bartfledermäuse erfasst. Von der Bechsteinfledermaus wurden zwei und vom Braunen Langohr lediglich ein einzelnes Männchen gezählt. Bauer hofft, dass dies nicht „der letzte Mohikaner“ war.

Im Lindach, einem kleinen Walddistrikt zwischen Manteler und Etzenrichter Forst werden die Vogelkästen von einem Privatmann gepflegt. Sie wiesen einen sehr guten Erhaltungszustand auf. Hier wurden in 81 Nisthilfen lediglich Wasserfledermäuse gefunden und vier einzelne Fransenfledermaus-Männchen. Die Belegung liegt da bei 28 Prozent. Die Schlachtlohe ist das „Hausgebiet“ von Bauer am Südrand des „Etzenrichter Forstes“ bei Kohlberg/Schlemm. Hier sind Fledermauskästen zusammengefasst, die vom Oberpfälzer Waldverein Kohlberg erhalten werden. Aus diesem Grund sind da auch die Nisthilfen in gutem Zustand. Alle 23 Kästen wiesen Fledermausbelegung auf. Darunter drei Fransenfledermaus-Wochenstuben und ein Mausohr-Paar.

Die Kästen auf den Kohlberger Höhen werden ebenfalls vom OWV betreut. Sie befinden sich teils im Staats-, teils im angrenzenden Privatwald. In 37 Sommerquartieren fanden sich Fledermaus-Nachweise. Seit mehreren Jahren werden hier die seltenen Bechsteinfledermaus-Männchen registriert, 2008 erstmals eine Wochenstube. Ansonsten dominieren dort Fransenfledermäuse, gefolgt von Mausohren und „Zwergerln“. Interessant ist dabei, dass in Gebieten mit höherer Kastendichte auch die durchschnittliche Anzahl von Fledermäusen pro Kasten höher ist. In Fledermaus-Flachkästen finden sich fast nur die Spalten bevorzugenden Arten, wie Zwerg-, Mücken- und die Bartfledermäuse.

Die Erhebungen haben gezeigt, dass in den großen Waldgebieten des Forstbetriebs Schnaittenbach etwa nur mehr ein Drittel bis ein Viertel der ursprünglich hängenden Kästen vorhanden ist. Teilweise werden sie von Privatpersonen, vom Landesbund für Vogelschutz und ehemaligen Waldarbeitern gereinigt und instand gehalten. Trotzdem ist in den nächsten Jahren ein weiterer deutlicher Rückgang zu erwarten, da viele der Kästen schon sehr alt sind. Zum Teil schon über 40 Jahre. Da in unseren Wäldern das Angebot natürlicher Baumhöhlen-Quartiere sehr niedrig ist, herrscht für die Fledermäuse akuter Quartiernotstand. Vor allem das Braune Langohr scheint immer mehr zu verschwinden, denn die Besiedlung mit Fledermauspopulationen setzt ein gewisses Angebot an Quartieren voraus. Baumbewohnende Fledermausarten benötigen laut Bauer Waldgebiete mit hoher Baumhöhlen- und Totholzdichte. Aufgrund der sich stark verringernden Nistkästen-Anzahl in den Wäldern ist auch ein deutlicher Rückgang bis zum völligen Verschwinden der Fledermausvorkommen zu befürchten.




Gut, wenn man zusammenarbeiten kann! Diplom-Forstwirt Rudolf Leitl kontrolliert die Vogelkästen, OWV-Vogelschützer Bernd Bauer notiert alles gewissenhaft. Die Studie über Waldfledermäuse zeigt erschreckende Ergebnisse

Fotograf: Johann Müller