Die Landschaft nicht nur mit den Augen erleben
Autor: Johann Müller
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Der Naturerlebnisweg Klingenbachtal ist im Vorfrühling besonders reizvoll
Rund achtzig Prozent aller Informationen erhalten wir Menschen über die Augen. Alle anderen Sinne können Wanderer zu jeder Jahreszeit aber ebenfalls bei einem Spaziergang auf dem Naturerlebnisweg Klingenbachtal trainieren. Nehmen Sie ruhig die knapp vier Kilometer lange Strecke an einem Regentag jetzt im Vorfrühling unter die Sohlen. Sie werden erstaunt sein, was sich Ihnen alles bietet! Natürlich nur dann, wenn Sie Ihre „Sinnes-Antennen“ auch auf „Empfang“ gestellt haben. Genießen Sie einfach mit Gleichgesinnten oder - vielleicht sogar besser – ganz für sich alleine das stille Waldtal mit den beiden Bächen. Sie schenken sich damit Zeit zum Aufatmen, zur-Ruhe-kommen oder auch zum Sinnieren und Sich-selbst-finden.
Kühler, feuchter Wind lässt Sie wohl anfangs schaudern, aber bald hat man sich daran gewöhnt. Die Nase zieht den frischen Geruch von Ackererde ein. Eifriges Vogelgezwitscher im Waldhang klingt schon nach Revierabgrenzung und Nestbau für die neue Brut. Kauen Sie ruhig auf einem frischen Brennesselblatt und spüren Sie den harzigen Geschmack junger Baumknospen im Gaumen. Indianer Nordamerikas haben früher besondere Bäume umarmt und mit ihnen gesprochen. Ertasten auch Sie mit Ihren Händen, wieviel anders sich die Rinde einer Eiche anfühlt als die einer Fichte. Erleben Sie, wie angenehm weich Ihre Füße auf Gras und Waldboden laufen. Wenn Sie nachher wieder den Teer der Straße spüren, merken Sie den Unterschied. Und halten Sie die Augen offen – nicht nur wegen der achtzig Prozent! Gerade die kleinen Dinge sind es, die immer wieder bezaubern: eine Reihe von Wassertropfen nebeneinander am Zweig, der unscheinbare Pilz, den die Fülle des Sommers sonst versteckt. Auch ein einfacher Stapel Brennholz überrascht, wenn man darin – mit einiger Fantasie – plötzlich ein lachendes „Holzgesicht“ entdeckt.
Der Naturerlebnisweg Klingenbachtal nahe Kohlberg ist so vielgestaltig, dass man ihn mit allen Sinnen bewusst aufnehmen sollte. Mutige scheuen auch nicht davor zurück, sich hinzuknien, liegend ein schönes Motiv zu genießen, über einen Bach zu springen oder barfuß durch das kalte, nasse Gras zu laufen. Sie sind dann - mindestens - eine Erfahrung reicher. Von Astrid Lindgreen, der schwedischen Buchautorin stammt der Satz: „Es gibt kein Gesetz auf der Welt, das es alten Weibern verbieten würde, auf Bäume zu klettern“. Merken Sie etwas? So ein Spaziergang an der frischen Luft regt sogar die Gehirnzellen des Textschreibers mächtig an. Wenn auch manchmal in eine sonderbare Richtung!
Ein kleiner Vorgeschmack
Photograph: Johann Müller